New Yorker Gesichter: Rosalie

Eine zarte, entschiedene, entschlossene Person. (Sie ist übrigens nicht 18 Jahre, sondern 30. Hat im Juni gerade ihren Freund geheiratet und wohnt in der Bronx)

Als Kind ist Rosalie mit ihren Eltern und zwei Schwestern aus der Dominikanischen Republik in die USA gekommen. Sie haben erst einige Jahre in Florida gelebt, sind dann nach NYC gezogen. Der Vater ist bald darauf in den USA gestorben.

Rosalie hat keine kirchliche Prägung und gehört auch jetzt keiner Kirche an. Warum ist sie ans Union gekommen und macht ihren “Master of Divinity”?

Am Anfang steht ihre Entscheidung (selbst) erfahrene Gewalt nicht einfach hinzunehmen, sondern etwas zu tun, zu verändern. In den letzten Jahren hat sie das Thema Gewalt in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen der USA durchbuchstabiert. Sie hat im Bildungswesen angefangen. Bald war ihr klar, dass sie als Lehrerin im Klassenzimmer nicht an die Probleme herankommt, die sie sieht. Eine Zeitlang arbeitet sie als assistant teacher in verschiedenen camps für benachteiligte Kinder.

Um das Thema Gewalt besser anpacken zu können, geht sie in den Bereich “criminal justice”. Sie führt Programme zur jugendlichen Gewaltprävention in der Nachbarschaft durch, in der sie lebt. Rosalie taucht in das Thema “Gewalt” ein. Was sind die Bedingungen von Gewalt? (Armut als ein ganz großes Vehikel) Welche Formen gibt es? (Gegen Frauen und Kinder, gegen sich selbst gerichtete…)

“Je länger ich das machte, um so mehr sah ich die Grenzen meiner Anstrengungen. – Ich versuchte noch einen Umweg über das Gesundheitswesen. Also, wenn es gelingt, dass Menschen sich selbst gut behandeln, können sie auch auf andere achten.” Aber ihre Erfahrungen im öffentlichen Gesundheitswesen sind ernüchternd; kein Interesse an solchen ganzheitlichen, gesellschaftspolitischen Fragestellungen  oder Ansätzen.

Die spirituelle Komponente fehlt Rosalie bei all diesem Arbeiten. Daher: “Where do you learn about spirit – without joining a cult?” und so ist sie ans Union gekommen. Klar, es ist noch ganz offen, was sie später damit machen wird. Pfarrerin jedenfalls nicht .

Auf der einen Seite ist Rosalie eine, die sich intellektuell  mit diesen Fragen befasst – auf der anderen Seite ist sie stets in der Praxis gewesen. In den letzten zwei Jahren hat sie bei catholic charities in der Flüchtlingsarbeit als Ehrenamtliche mitgeholfen. Sie begleitet unbegleitete minderjährige Flüchtlingskinder zu ihren Interviews, bereitet ihre Fallakten vor, ist Übersetzerin in den Interviews. “Heavy work! Diese Kinder erfahren einen ganz neuen Level an Gewalt und Leiden. Auf ihrer Flucht hierher werden sie beraubt und vergewaltigt. Ich stelle mir die Not der Eltern vor, die wissen auf was für eine Reise sie ihre Kinder schicken, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Ihr Kind-Sein bewahrt sie nicht vor all diesem Leiden.”

“Das macht sehr demütig.”

Drei Shelter – grosse Schutzräume – für diese Kinder gibt es in New York, aber eigentlich sind sie in Gewahrsam / inhaftiert, denn sie dürfen die Shelter nicht verlassen.

“To be engaged”. Das ist mehr als “engagiert sein”, wie wir im Deutschen sagen. “Engaged” das bedeutet: verbunden sein, gebunden sein. Sich einem Thema, einer Sache verpflichtet haben.

“I love the community.” sagt Rosalie und das lebt sie.

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