Zuhause sterben

Anruf am Vormittag.
Die 90jährige Mutter ist gestorben – ob ich vorbeikommen und die Familie beim Abschied begleiten kann.
Als ich hinkomme, sind die erwachsenen Kinder, ein Schwiegersohn und eine Nachbarin da. Kerzen stehen am Bett und ein paar Blumen.
Die Sonne durchflutet das Zimmer. Wir setzen uns um das Bett und erzählen – von den letzten Tagen, was die Mutter im Krieg erlebt hat, von ihrer ersten großen Liebe, ihren Macken.
Ich lese den Psalm 23; ja, es gab diese grünen Auen und finsteren Täler im Leben der Mutter.

Wir beten das Vater Unser; ich spreche einen Segen.
Eine schöne, ruhige Atmosphäre.

Schade, dass diese Form des Verabschiedens zuhause nicht mehr so oft stattfindet.

Erntedank mit Bruder Schildkröte und Schwester Pony

Erntedankfest: Wir sagen Gott Dank für seine gute Schöpfung –
und feiern mit Hund, Katze, Maus, Kaninchen, Schildkröte…..

Alle waren eingeladen,
ein Tier mit in den Gottesdienst zu bringen,
ebenso wie Früchte aus Feld und Garten.

Franz von Assisi nannte Tiere und Schöpfung seine Geschwister: “Schwester Wasser, Bruder Wind, Schwester Schwalbe und Bruder Wolf.” Wir leben miteinander, leben mit und von Gottes guter Schöpfung.
Es gab auch einen eigenen “Sonnengesang”
der KiGo- und KiTa-Kinder:

Gelobt seist du, Gott,
mit allen deinen Geschöpfen.
Ich danke dir, Gott, für die Sonne,
die uns warm hält und uns das Licht gibt.

Ich danke dir, Gott, für das Meer,
weil es zuhause für Hunderte von Tieren ist.
Du, Gott, hast uns ein sauberes Meer ohne Plastik gegeben.

Ich danke dir, Gott, für die Pflanzen und den Wald,
weil sie uns Sauerstoff geben
und saubere Luft zum Durchatmen schenken.

Ich danke dir, Gott, für die Bienen,
weil sie die Pflanzen bestäuben
und wir ihre Früchte essen.

Wir danken dir, Gott, für unsere Hunde, – für Boone, Resi, Jule,
und die vielen anderen Hunde, groß und klein,
denn es ist wunderbar mit ihnen zu kuscheln,
mit ihnen Ball zu spielen und in den Wald zu gehen.

Wir danken dir, Gott, für Pferde und das Pony,
weil sie uns auf sich reiten lassen.

Wir danken dir, Gott, für die Ziegen
mit ihren schönen Hörnern, die immer größer werden.
Wir danken für die Ziegeneltern, die die kleinen Ziegen erschaffen haben.

Wir danken dir, Gott, für die Schildkröten – für Henry und Rocky – mit ihrem Kreuz auf dem Rücken.
Auch sie lassen sich in der Hand halten und trotz ihres Panzers kann man mit ihnen kuscheln.

Wir danken dir, Gott, für unsre Katzen,
die schnurren und um unsre Beine streichen.
Frei und wild, aber auch anhänglich und zutraulich.

Gelobt seist du, Gott, für unsere Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt,
und vielfältige Früchte hervorbringt,
mit bunten Blumen und Kräutern.
Dank sagen wir dir, Gott, mit allen deinen Geschöpfen.

“Gott segne euch und behüte euch.
Gott, der Schöpfer allen Lebens, segne euch Tiere.
Ihr kommt zu uns als ein Segen,
gekleidet in Federn und Fell.
Begleitet uns in unserer Arbeit,
ruft uns zu spielen und auszuruhen.

Gott segne Bäume, Wald und Feld.
Gott segne und bewahre das Wasser und die Meere.
Gott segne unser Miteinander,
dass wir leben als seine Geschöpfe.”

 

Wer liest was?

Ein roter Faden, der sich durchs gemeinsame Wochenende zog, war das Erraten und Vorstellen der Lieblingsbücher:
Welcher Presbyter liest Jack London? Oder Kinderbücher, die das Thema Nazi-Deutschland behandeln? Welche Presbyterin interessiert sich für ökologische Ernährung oder wie unser Gehirn arbeitet?

Eine wunderbare Möglichkeit einander näher kennen zu lernen – und gleichzeitig herrliche neue Bücher zu entdecken.

Super Presbyterium – hier einige Köpfe und Bücher.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was so alles auf dem Schreibtisch einer Pfarrerin landet …

Anfrage: Braucht die Kirchengemeinde eine Haftpflichtversicherung gegen Drohnen? Anzeige wegen Ruhestörung; verlorene Busschlüssel; 2 Beerdigungen wollen in Ruhe mit Zeit und Aufmerksamkeit vorbereitet werden. Geburtstagsgrüße Oktober- November schreiben;  Presbyteriumswochenende: eine Einheit zu Lukas 17, 11-19  KREATIV entwickeln – “Von der Gabe, Glück in Dankbarkeit zu verwandeln”, Familien- Erntedank-Gottesdienst mit Tieren im  Hinterkopf arbeiten lassen – wie organisieren? Plakat und Flyer fertig machen,
Kommode für neuen Besprechungsraum abholen lassen, Unterlagen fürs Presbyterium lesen und Notizen machen; für 2 Taufen die Urkunden und  Patenbescheinigungen  fertig machen; Absprachen mit dem neuen Küster; den Gottesdienstplan bis Februar 2019 weiter schreiben, Artikel für den Gemeindebrief: wie soll das Thema für den nächsten workshop “Seelenbretter malen” formuliert werden?

Worüber könnte ich mal im Blog schreiben?

#MeToo

2. Samuel 13, 14 – 22

Aber Amnon wollte nicht auf Tamar hören und ergriff sie und tat ihr Gewalt an und schlief mit ihr. Und er wurde ihrer überdrüssig, sodass sein Hass größer war als vorher seine Liebe. Und Amnon sprach zu ihr: Steh auf, geh! Sie aber sprach zu ihm: Dass du mich von dir stößt, dies Unrecht ist größer als das andere, das du an mir getan hast.  Aber er wollte nicht auf sie hören, sondern rief den Knaben, der ihm diente, und sprach: Treibe diese von mir hinaus und schließ die Tür hinter ihr zu! Und sie hatte ein Ärmelkleid an; denn solche Kleider trugen des Königs Töchter, solange sie Jungfrauen waren. Und als sein Diener sie hinausgetrieben und die Tür hinter ihr zugeschlossen hatte, warf Tamar Asche auf ihr Haupt und zerriss das Ärmelkleid, das sie anhatte, und legte ihre Hand auf das Haupt und ging schreiend davon. Und ihr Bruder Absalom sprach zu ihr: Ist dein Bruder Amnon bei dir gewesen?
Nun, meine Schwester, schweig still; es ist dein Bruder, nimm dir die Sache nicht so zu Herzen.

 

Biblische Texte in ihrer Direktheit. Mitten aus dem Leben.
Und die Muster mit denen Opfer zum Schweigen gebracht werden sind schon Tausende Jahre alt.

Die gemeinsame Vorbereitung zum Gottesdienst war gut, offen und  lebendig. Die Personen aus der Geschichte – Jonadab, König David, Amnon, Diener, Tamar, Absalom – sagen Jahre später, wie sie über das Geschehene denken. Hätten sie etwas anders machen können? Gab es Alternativen?

 

Bin gespannt, wie der Gottesdienst als Ganzer wird.
Reaktionen dazu?

Kain und Abel

Der Predigttext für den heutigen Sonntag
steht im 1. Buch Mose, Kapitel 4, Verse 1-16.
Der Brudermord – ein paar Gedanken dazu.

(Der Gottesdienst zu dem Text heute war, glaube ich, sehr “streng”.)

Was ist das Ungeheuerliche an dieser Geschichte?
Für viele ist schon der Anfang der Geschichte schwer zu verdauen:
Gott, der das Opfer Abels gnädig ansieht,
aber Kain und sein Opfer sieht er nicht gnädig an.
Warum?

Kein Wort der Begründung oder Rechtfertigung.
Es ist einfach so.
So, wie im richtigen Leben, wie wir es auch kennen.
Es gibt Menschen, denen scheint alles zuzufallen
und andere kämpfen Tag für Tag und kommen auf keinen grünen Zweig.
Keiner kann erklären, warum das so ist.
Und das tut auch dieser Text nicht – erklären.
Er fragt nicht und hinterfragt nicht.
Sondern diese Realität – dass das Leben so unterschiedlich gelingt –
und das Leben einzelnen so Unterschiedliches zumutet –
und dass das manchmal einfach ungerecht ist,
das beschreibt der Text.
So ist das.
Ja, und wir stehen manchmal fassungslos davor:
Wie kann so etwas passieren?
Das hat der oder die wirklich nicht vedient.

Woran macht Kain die Missachtung Gottes fest?
Das wird in dieser Geschichte nicht erzählt.

 

Anhand einer Familiengeschichte erzählt dieser alte Text
das Drama der Menschheit.
Und allein das ist ja schon eine Entscheidung,
ein wichtiger, wesentlicher Gedanke:
Wir als Menschen sind eine große Familie.
Mein Nächster ist mein Bruder, meine Schwester
und nichtirgendein x-beliebiges Menschenwesen.

Der Text psychologisiert nicht.
Bietet keine Familienaufstellung an.
Interpretiert nicht Opferrollen und Eltern-Kind-Konflikte.
Aber der Text fragt danach:
Wie leben wir miteinander?
Es gibt Neid, Mißgunst,
Ungerechtigkeit.
Wie gehen wir dann miteinander um?
Und wie leben wir mit Schuld und Schuldig-Gewordenen unter uns weiter?

Zwei Sätze aus dieser Geschichte bewegen mich besonders:
Erstens: „Bin ich meines Bruders Hüter?“
und zweitens der Satz „Mein Strafe ist zu schwer, als dass ich sie tragen könnte.“

 

„Mein Strafe ist zu schwer, als dass ich sie tragen könnte.“
Was darf Kain noch von Gott erwarten?
Was darf Kain noch von Gott erwarten – als schuldig gewordener Mensch?

Gott verurteilt die Tat, den Brudermord,
nichts an Kains Schuld wird beschönigt.
Sie ist und bleibt Schuld.
Aber Kain, der hier jeden Menschen repräsentiert,
bleibt auch Gottes Menschen-Kind und erfährt seinen Schutz.
Er ist und bleibt vor Gott der angenommene Mensch.

Das Kainsmal wird sein Zeichen,
das er sich von Gott geschützt wissen kann.
Es ist kein Stigma.
Es ist vielleicht so etwas, wie eine eingebrannte Wunde.
Eine Wunde, die ihn erinnert und quält,
und die ihn wachsen und reifen lässt.
In dieser Ambivalenz lebt Kain weiter –
mit der Schuld und dem gewährten Schutz.
Und in dem Wissen, dass Gott ihn doch sieht – gnädig ansieht

Den gnädigen Gott finden wir nicht erst im Neuen Testament,
schon hier in dieser alten, brutalen Geschichte blitzt etwas auf von dem Gott,
der Leben und Schutz gewährt für den, der sich in Schuld verstrickt hat.

Wie leben wir miteinander?
„Bin ich meines Bruders Hüter?“ fragt Kain.
Und die Antwort lautet:
„Ja, Kain, das bist du.
Das wäre deine Aufgabe.“

Und das – ist auch unsere Aufgabe.

 

 

“Was macht, dass ich so fröhlich bin…”

Beim Urlaubsschlendern durch die sonnig-luftigen Gassen von Novigrad fällt mir ein Psalm von Hanns Dieter Hüsch ein:

“Ich bin vergnügt, erlöst, befreit, Gott nahm in seine Hände  –  meine Zeit,  – mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen. Mein Triumphieren und Verzagen. Das Elend und die Zärtlichkeit.

Was macht, dass ich so fröhlich bin in meinem kleinen Reich. Ich sing und tanze her und hin vom Kindbett bis zur Leich.

Was macht, dass ich so furchtlos bin an vielen dunklen Tagen. Es kommt ein Geist in meinen Sinn, will mich durchs Leben tragen.

Was macht, dass ich so unbeschwert und mich kein Trübsinn hält. Weil mich mein Gott das Lachen lehrt – wohl über alle Welt.”