Sommerloch

Kurzschluß – der Stromkasten am Martin-Luther-Platz ist “hochgegangen” (Hitze?) . Kein Strom mehr in der Hauptstraße und Kirchfeldstraße.
Auch nicht in der Kirche. Die Kirchturmuhr bleibt stehen.

Nachdem RWE zur Reparatur vor Ort war, beginnen die Glocken zu läuten.
ALLE – laut und intensiv. Nach einer Stunde regt sich allmählich Unruhe im Ort. Erste Anrufe gehen ein. “Was ist los? Die Glocken…!” “Die Gäste im Biergarten beschweren sich…” Schließlich meldet sich auch die Polizei bei mir.

Ok. Unser Plan, dass die Glocken wieder in ihre Programmierung “zurückfinden”, scheint nicht aufzugehen, also erst einmal das ganze per Hand ausstellen.
Ruhe!
Zwei Stunden Glockenklang.
Die Kettwiger – selbst die, die Glocken gerne hören – sind bedient.

Aber als Einstimmung für die Mondfinsternis war es doch ganz stimmungssvoll.

Ein bisschen Glockengeschichte:

Im Turm hängen drei Glocken:
Die große Gussstahlglocke wiegt 1604,5 kg und ist auf den Ton cis gestimmt.
Die mittlere Glocke wiegt 1089 kg und klingt auf den Ton e,
die kleine Glocke ist 817,5 kg schwer und auf den Ton fis gestimmt.

Draußen am Turm gibt es eine Viertelstundenglocke und eine bronzene Stundenglocke; starr angebracht. Die Stundenglocke ist ein bedeutender Renaissanceguss aus dem Jahr 1565 (evtl 1562). Sie ist auf den Ton d gestimmt und mit einem Marienemblem geschmückt.

1916 wurde zur “Sicherstellung von Kriegsbedarf” das “Glockenopfer” von den Gemeinden erzwungen. Auch die Kettwiger Gemeinde mußte 1917 ihre bronzenen Glocken (aus dem Jahr 1850) hergeben. (Nur die Stundenglocke wurde aufgrund ihre besonderen historischen Bedeutung verschont und blieb am Turm.) Schon bald gelang es der Gemeinde den Verlust durch ein gusseisernes Geläut zu ersetzen, das Weihnachten 1918 zum ersten Mal erklang.

“Fixed pews are an invention of the devil”

 

“Liturgie und Raum” – gestern als Thema in Köln.
Im Gestaltungsbeirat der Bauabteilung der rheinischen Landeskirche habe ich  über meine Gottesdiensterfahrungen und das Gottesdienstkonzept am Union Theological Seminary in New York berichtet.

“Service is not something delivered to us,
but something that we give to each other.”
Was heißt das für das Raumkonzept?

5 Jahre wurde am Union an den Fragen der Raumgestaltung  der James Chapel miteinander gearbeitet. Letztendlich war die Entscheidung:
den Raum leer machen, um zu sehen, wie die Gemeinde ihn neu füllt.
Das Herausnehmen der Bänke veränderte die Blickrichtung:
“statt nach oben zu blicken, schauten wir einander an.”

Was brauche ich?
Was soll der Raum für diesen konkreten Gottesdienst transportieren?
Die liturgische Bedeutung des Raumes wird ernst genommen und durchbuchstabiert: wie stehen die Stühle? (stehen überhaupt Stühle?)
Welche Farben, Licht gibt es heute; wo befinden sich Altar, Kreuz, Pult?

“This space is only understood when it is used”
(natürlich kann er auch “gebraucht” werden als ein Raum der Stille,
aber doch auch als Versammlungsort. Nicht so sehr ein “museales” Verständnis von einem Kirchraum, als vielmehr ein Raum, in dem gelebt wird.)

Die Kanzelorienrierung – die Ausrichtung auf das Wort Gottes – theologisch alles richtig – transportiert aber vor allen Dingen:
da steht eine/r , die weiß, wie es richtig ist und euch erzählt, wie Glauben geht. Die mündige Gemeinde sitzt in ihren Bänken.
(auch das Verständnis, dass ich als Predigerin “nur” eine Zeugin der Wahrheit bin, läßt die Frage stellen: Ja, aber bin ich die einzige Zeugin im Raum?)

(Kritische Anfrage an uns PfarrerInnen: Dieses alte Raumkonzept gibt uns Sicherheit; transportiert ein Rollenverständnis, das uns Bedeutung, Würde …zuschreibt. Können wir darauf verzichten?)

 

 

Wir müssen darüber nachdenken und uns austauschen:
Ist an dem Raum zu erkennen, was uns wichtig ist?
Wie wollen wir Gemeinde sein?

 

 

 

Unsere viel zitierten abendländischen Werte…

Manfred Rekowski, Präses der Rheinischen Landeskirche:
“Seit 2015 sind tausende Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer ertrunken. In diesen Tagen erleben wir schon wieder, dass Flüchtende in Seenot geraten und ertrinken. Jenen, die von Schiffen aufgegriffen und an Bord genommen werden, verwehren zahlreiche europäische Staaten Aufnahme und Sicherheit. Eine Europäische Union, die sich derart abschottet und Menschen in Todesgefahr die Hilfe verweigert, verrät die Liebe, für die das Christentum steht. Eine Europäische Union, die nicht in der Lage ist, Ressentiments und nationale Egoismen zu überwinden sowie Mitmenschlichkeit und Liebe zu üben, sollte den ihr im Jahr 2012 verliehenen Friedensnobelpreis zurückgeben.“ Das schreibt der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland in seinem aktuellen Präsesblog.

Freitag, 13.07. um 18 Uhr
Demonstration auf dem Willy-Brandt-Platz in Essen:
“Stoppt das Ertrinken im Mittelmeer”

….. on the bright side of life

Vor 2 Wochen habe ich Frau A. noch im Altersheim besucht.
Jetzt bereite ich ihre Beerdigung für die nächsten Tage vor.
Ihr Tod kam nun wirklich sehr überraschend, –  bei meinem Besuch war sie voller Energie, blitzwach und aktiv – mit ihren 94 Jahren.

Wir kennen uns schon lange und es hat mich sehr überrascht, wie sie – als sehr selbständige, selbstbestimmte Frau – ihren Umzug ins Altersheim vor einigen Jahren akzeptiert, angenommen und im wahrsten Sinne des Wortes das Beste daraus gemacht hat.
Kleine Unterhaltung im Alltag finden, darin war sie groß – z.B. sich auf die Bank vors Rathaus setzen und die Hochzeitsgesellschaften anschauen, die aus dem Standesamt kommen. Und sich so seine Gedanken machen.

“Klar, gibt es Dinge, über die ich meckern könnte, aber will ich meine letzten Jahre hier auf Erden mit Jammern zubringen?”

Sehr beeindruckende Haltung!

 

 

 

 

O-Ton Fulbert Steffensky, im podcast “Lebenszeichen” WDR Hörfunk,
1. Juli 2018 anhören:
“Und ich glaube, deshalb ist eine Grundvoraussetzung dafür, gut alt zu werden, die Dankbarkeit. Die Dankbarkeit für das, was man hatte. Man muss ja nicht alles gehabt haben.”

Text für die Trauerfeier:
“Lobe den Herrn, meine Seele,
und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat.” Psalm 103, 2

Zeit für das Wesentliche

Info-Veranstaltung im Kirchenkreis zum landeskirchlichen Prozess “Zeit für das Wesentliche – Perspektiven auf den Pfarrberuf”.
Ich schwanke zwischen Skepsis, Ironie und Hoffnung, was diesen Prozess angeht.

Fragt man 50 Gemeindeglieder dürfte man etwa ebenso viele Antworten erhalten, was das Wesentliche in der Gemeindearbeit ist:
Besuche zu Geburtstagen, Angebote für Kinder und Jugendliche, lebendige Gottesdienste, junge Familien einladen, Seelsorge, gute Musik, Meditatives, politische Gesprächsrunden, diakonische Initiativen….

Die Initiative unserer rheinischen Landeskirche trägt dies Thema nun schon seit einigen Jahren im Titel (2014). Zum einen sollen wir Pfarrerinnen und Pfarrer uns darüber klar werden, wofür wir unsere Arbeitszeit nutzen – im Absprache mit den Presbyterien. Sogar von einer Arbeitszeitvereinbarung ist die Rede, was ja die Grundfesten evangelischen Pfarrverständnisses erschüttert….

Zum anderen betrifft das natürlich die Gemeindearbeit insgesamt – Ehrenamtliche und alle Hauptamtliche eingeschlossen: was betrachten wir für unsere Gemeinde als wesentlich und wollen daran arbeiten?

Die preussisch verfasste und geordnete Ortsgemeinde, die uns allen bekannt ist und unser Bild von “Gemeinde” geprägt hat, wird sicherlich nicht das Modell der Zukunft sein.
Es ist an der Zeit, sich mutiger davon zu verabschieden, um frei zu werden für Neues.

Schön luftig

Obwohl der Sonntagmorgen etwas “norddeutsches Wetter” bereit hielt, haben wir Gottesdienst draußen vor der Kirche gefeiert.
Schöne Atmosphäre  – und die verschiedenen MalerInnen haben ihre Seelen-Bretter mit dichten, guten Gedanken vorgestellt.
Mutig etwas von sich mitgeteilt.
Gemeinde unter freiem Himmel erlebbar gemacht.

Was wir noch tun können…

Die Nachrichten, das Weltgeschehen, lässt mich in diesen Tagen manchmal sprachlos zurück.

Dietrich Bonhoeffer schreibt: ” …unser Christ-sein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen….”
(in: Widerstand und Ergebung, Gütersloher Taschenbuch 1980,  S. 152)

Ein gutes Seelenbrett-Gebet dazu von Andrea:

Herr, wir wollen oftmals gerne anders sein, als wir es sind.
Wir kommen aber nur selten dazu.
Wir wünschen uns Veränderung.

Hilf uns, Herr, zu leben wie Kinder des Lichtes,
die Güte ausstrahlen, Gerechtigkeit und Wahrheit.

Herr, hilf uns Güte zu zeigen im Alltag:
Lass uns nachsichtig sein mit dem Nachbarn, der die Hecke noch nicht geschnitten hat,
wohlwollend mit dem Kunden an der Aldi Kasse, der es so eilig hat,
umsichtig im Straßenverkehr.
Hilf uns auch, dass wir uns selbst gütig und freundlich begegnen.

Lass uns leben wie Kinder des Lichtes.

Herr, hilf uns auch, gerecht zu sein.
Oft wollen wir nach Kräften unseren eigenen Profit mehren.
Lass uns immer öfter ausgleichend handeln,
ohne den eigenen Vorteil über den Vorteil anderer zu stellen.

Lass uns leben wie Kinder des Lichts.

Herr, stärke uns in der Wahrheit.
Lass uns nicht länger leugnen,
dass die Armut anderer in dieser Welt mit unserem Reichtum zu tun hat
und lass uns danach handeln.

Herr, lass uns leben wie Kinder des Lichtes, gütig, gerecht und wahr. Amen.

 

Unter freiem Himmel

Am Sonntag, den 17.6. feiern wir den Gottesdienst draußen vor der Kirche – mitten zwischen den Seelenbrettern unter der schönen Eiche.
“Eigentlich bin ich ganz anders, …”
Was erzählen die verschiedenen Bretter über unser Anders-Sein?
Ersehnen oder befürchten wir es?

Der biblische Text für denGottesdienst
ist aus dem 1. Johannesbrief, Kapitel 3, Vers 2:
“…. und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden.”

(Luther: “Wir sind schon Gottes Kinder,
es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.”)

Sehr schön und ein Geschenk, dass wir den Gottesdienst gemeinsam vorbereiten und einige der Seelenbrett-MalerInnen zu ihren Brettern erzählen oder liturgische Texte zu ihrem Brett schreiben.

 

So zum Beispiel Christian:

Mein Seelenbrett-Psalm

Mein Gott, du siehst in mein Herz.
Du kennst mich.
Wie schön, dass du mir nahe bist
und ich geborgen bin bei dir.

 

Niemand kennt mich so genau wie du.
Mache ich es anderen leicht oder schwer,
mich zu kennen und zu verstehen?
Bin ich für andere wie ein offenes Buch
oder verschließe ich mich
– wie ein Buch mit sieben Siegeln?

Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer?
Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?

Ich möchte „ich“ sein, mit allen Ecken und Kanten.
Mit meinen Schatten und Schwächen,
sie gehören genauso zu mir wie meine Stärken,
ich will sie annehmen, sie sind Teil von mir.

Mein Profil gefällt mir –
nicht starr und unbeweglich,
nicht zweidimensional wie aufs Brett gemalt,
sondern lebendig.

Sorge dich nicht um das, was kommen mag,
weine nicht um das, was vergeht.
Aber sorge, dich nicht selbst zu verlieren
und weine, wenn du dahintreibst im Strom der Zeit,
ohne den Himmel in dir zu tragen.

Ja, darum geht es mir: Ich will mich nicht verlieren.
Ich bin eigentlich gar nicht ganz anders –
Und ich komme immer öfter dazu.
Ich will mich nicht verbiegen, um Erwartungen zu erfüllen.
Ich möchte mir treu bleiben und gleichzeitig offen sein für Veränderung.
Ich will – so gut es geht – den Himmel in mir tragen.

(Mit Zitaten von Jörg Zink, Dietrich Bonhoeffer, Friedrich Schleiermacher)