Sonntagmorgen Gesicht Nr. 3

Ein Gottesdienst zu Genesis 22, 1-14: Die Bindung Isaaks

VORHER
Schon wenn ich nur anfange, mich in das Geschehen hinein zu versetzen, kommen Abwehr und Schauder auf,- und auch Fragen,- z.B. wieso keinerlei Reaktion von Abraham auf Gottes Anweisungen kommt,- kein Schreck, keine Frage, keine Abwehr,  kein Widerspruch, keine Trauer, – nichts,- nur das Rüsten zur Reise. Der einzige, der nachfragt und das Geschehen nicht mit dem üblichen Opfervorgang zusammen kriegt, ist Isaak selber, und dem scheint die Antwort des Vaters zu genügen, dass Gott sich schon sein Opfer aussuchen wird. Dann liegt Isaak gefesselt auf dem Feuerholz,- und auch hier liegt die Dramatik im Nicht-Erzählten und Nicht-Erklärten………. Beweggründe, weitere Dialoge oder eben auch die entsprechenden Ängste und Emotionen sind komplett ausgeblendet…………. all das verstärkt mir nochmal den Eindruck einer Kunst-Geschichte, einer Parabel o.ä.,- aber diese nun auszulegen und in etwas “Vernünftiges” zu übersetzen,- ich wäre ratlos! Dieser Glaube und das Vertrauen sowohl von Abraham als auch von Isaak sollen möglicherweise sogar vorbildlich sein? Ich bin sehr gespannt auf deinen “Dreh”, Silke,- was wirst du aus dem Hut zaubern? Welcher Kontext und welche Vorgeschichte fehlen mir möglicherweise für das richtige Verständnis? Wie unverdaulich wird es trotzdem sein und bleiben? Ich bin gespannt….

NACHHER
Nun muss ich dieses Forum ausnahmsweise mal nach der Predigt nutzen… aber der Austauschbedarf bei diesem Text ist einfach hoch – ……in anderer Sitzform als dem Zuhörer-Block gegenüber der “Solistin” (im Sinne der Allein-Kämpferin…) wäre bestimmt noch erstaunliches laut geworden in der Kirche,- wer weiß!
Ich habe jedenfalls einiges mitgenommen und bin sehr dankbar dafür!
Die beiden Pole auszuhalten, bleibt tatsächlich an uns,- Angst/ Vertrauen, Gehorsam/Fragen, Opferbereitschaft/Vaterliebe etc .
Auch unser Leben enthält immer gegensätzliche Pole, es lässt sich nicht auflösen und wir halten es aus und entscheiden auch selber, ob wir z.B. aus diesem Text für uns vorrangig das Empörende holen oder das Mutige oder das spezifisch Jüdische… Ich bin froh, nun zu wissen, WIE zentral diese Geschichte im jüdischen Glauben ist, im Grunde wie für uns die Weihnachtsgeschichte.
Und dass es sich daher auch verbietet, sie als alt und überholt und martialisch abzutun. Was ich auch nicht wusste: Holocaust heißt “Brandopfer”! Aber was heißt das für die Juden? Dass sie sich selber mit Isaak identifizieren? Der geliebte Sohn= das erwählte Volk? Dass sie die Geopferten sind,- die tatsächlich Geopferten? Wo kein Engel dazwischen gefahren ist und die Gaskammern verhindert hat? So wie auch der geliebte Sohn Jesus am Kreuz ans Kreuz musste? Uff, hier wird’s schwierig….

Richtig gefreut habe ich mich über die Entdeckung, dass Abraham zu den Knechten sagt: Wir kehren zurück! WIR! Sicher will er die Knechte schonen,- aber trotzdem scheint mir das WIR wichtig und programmatisch. Aber es bleibt auch unheimlich, denn er legt seinen Sohn gebunden aufs Holz…. Trotzdem: Wir kehren zurück! Wunderbar!
Und was mir auch noch im Ohr ist: Trotzig glauben wir!
Nicht trotzdem,- trotzig! = Ich lass mich hier nicht kirre machen, auch wenn es zum verrückt werden ist!!

“exit RACISM” *

Grossartig, Otto Dix!

(1950, “Verkündigung” im Museum Unterlinden in Colmar)

Was für eine Ankündigung. Nicht nur, dass Maria wie ein kleines Schulmädchen, erschrocken und verweint, auf dem Stuhl sitzt ,- sondern dass der Engel, der ihr was zu sagen hat, schwarz ist! Wow, das ist mal eine andere Perspektive. Sehr selten, sehr mutig.

*exit RACISM: rassismuskritisch denken lernen. Buch von Tupoka Ogette

Urlaub – oder: Nebel als spirituelle Erfahrung ;-)

Seit Stunden klettern wir den Hang hinauf, arbeiten uns an das Gipfelkreuz heran – und sehen …  nichts.

Nebel. Kein Berg weit und breit.Tiroler Alpen?
Keine Ahnung, wie die aussehen.
Seit wir hier sind, ziehen dicke Wolkenschwaden durch die Täler
oder Nebel  wabbert  über die Hänge.
Ich ärger mich. Bin genervt. Hab keine Lust mehr aufs Klettern.
Hatte mich auf die Ausblicke, das grossartige, erhebende Panorama gefreut.
Und jetzt diese graue Suppe. Sehe keine drei Meter weit.


Was sehe ich statt dessen?

Wunderschöne kleine Blumen. Die zarten Glockenblumen. Wolliges Gras. Flechtenbehangene Äste. Der kleine Bach rauscht ins Tal.

Wattige Stille. Ich setzte meine Schritte.
In Schlamm. Auf Schotter. Felsbrocken. In Gras und Kuhfladen, Schneefelder. Sicher. Federnd. Nach einer Weile schleppend. Mal rutsche ich. Stehe. Kibbel. Wieder ein Schritt voran.

Mein Ärger, meine Enttäuschung verlieren sich langsam.

Ich denke an Zen. “Beginner’s mind”:
Wenn ich gehe, gehe ich. Wenn ich sitze, sitze ich.

Es gibt da für mich eine Verbindung zu Jesus:
“Das Reich Gottes ist mitten unter euch.” (Lukas 17, 21)
Wenn ihr sitzt, wenn ihr geht – in dem, was ihr jeweils in dem Moment tut, ist Gottes Reich mitten unter euch. Nicht dermaleinst, nicht jenseits…..sondern jetzt, mitten unter euch. Mit eurer Aufmerksamkeit für das, was möglich ist.